Ab 18 Uhr trafen im Loungebereich des WCD fast einhundert Heine-Freundinnen, Heine-Freunde und Gäste zu einem Come-together ein, einer Art kulinarisches und kommunikatives Horsd’œuvre zum geselligen Austausch bei Prosecco, Canapés und knusprigem Weihnachtsgebäck.
Um 19 Uhr öffneten sich die Pforten zum Festsaal, wo an acht weihnachtlich dekorierten Tischen Platz genommen wurde. Mit dem fast zweihundert Jahre alten Heinezitat „Jede Zeit hat ihre Aufgabe, und durch die Lösung derselben rückt die Menschheit weiter.“ begrüßte eingangs HF Dr. Andreas Turnsek im Namen des Vorstands die Anwesenden und betonte die Aktualität dieser tiefsinnigen Erkenntnis im Hinblick auf das gegenwärtige, durch Kriege und Krisen charakterisierte Weltgeschehen. Da die Adventszeit traditionell auch ein Innehalten für einen Rückblick aufs endende Jahr bietet, brachte er die personellen Veränderungen im Vorstand in Erinnerung, verbunden mit einem herzlichen Dankeschön für das ehrenamtliche Engagement des Kuratoriums, der Funktionsbeauftragten und Mitglieder des Heinrich Heine Kreis e.V. Sodann stellte er den Gastredner des Abends, den vormaligen „Landesvater“ Armin Laschet vor, der dem Heine-Kreis seit vielen Jahren eng verbunden ist. Hierbei hob er das vorbildliche Engagement von Armin Laschet für die interkulturelle und religiöse Zusammenarbeit vor, insbesondere seine mahnende Stimme gegen den wachsenden Antisemitismus, für die er vor kurzem von der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf mit der Josef-Neuberger-Medaille ausgezeichnet wurde. Eigens zur Adventsfeier sei auch der Vorsitzende des Vorstands der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf erschienen, Herr Dr. Oded Horowitz, den er herzlich willkommen hieß.
In seinem Grußwort betonte Bürgermeister und Heine-Freund Josef Hinkel seine Freude, als Mitglied dem Heine-Kreis anzugehören, der sich als eine beständige Größe aktiv im bürgerlichen Engagement der Landeshauptstadt Düsseldorf beteilige und betätige, um die Flagge Heines sichtbar wehen zu lassen. Er wünschte Glück für weiteres Gelingen der Aktivitäten im Folgejahr und dem Abend einen fröhlichen und festlichen Verlauf.
In seiner mit Spannung erwarteten Dinner-Speech stellte Armin Laschet in einem brillanten, mit treffenden Zitaten geschmückten Vortrag den romantischen Dichter, sprachversierten Schriftsteller und kritischen Journalisten Heinrich Heine als intellektuellen Vermittler und scharfsinnigen Mediator zwischen den beiden Nationen und Völkern Deutschland und Frankreich aus eigenem Erleben, hier Düsseldorf, seine Heimatstadt, dort Paris, sein Zufluchtsort, in einigen Facetten vor und wies ihm die denkmögliche Rolle eines Vordenkers der europäischen Idee zu. Nur einige Ausschnitte können hier in der subjektiven Wahrnehmung des Chronisten, die sich auch im vorherigen Satz spiegelt, wiedergegeben werden.
Ob 13. Dezember 1797, so endgültig datiert, oder Februar 1798, so vom Landesrabbiner Löb Scheuer notiert, ist unerheblich. Fest steht, sein Geburtshaus auf der Bolkerstraße 53 stand, er ein Sohn dieser Stadt ist. So tragen dann hier eine Allee und ein Platz seinen Namen, gibt es ein Heine-Institut, wurde die Universität nach ihm benannt, erinnert ein Mahnmal an ihn. „Die Stadt Düsseldorf ist sehr schön, und wenn man in der Ferne an sie denkt und zufällig dort geboren ist, wird einem wunderlich zumute. Ich bin dort geboren, und es ist mir, als müsste ich gleich nach Hause.“ Dieses Zitat ist ein Credo, ein Düsseldorfer seiner Zeit zu sein. Dieses Heimweh liegt tief in der jüdischen Seele verwurzelt. Zu oft lebte dieses Volk in seiner Geschichte in Gefangenschaft, seit 72 nach Christus in Diaspora weltweit zerstreut, oft ausgegrenzt und verfolgt. So durchlebte Heine ein jüdisches Schicksal, musste in Deutschland Antisemitismus erdulden, Professuren und Lehraufträge blieben ihm versagt, auch die widerwillige Konversion änderte daran nichts, Er blieb ein verfemter Zeitgenosse, zumal er noch den aufkommenden Nationalismus geißelte und über die Kleinstaaterei spottete. So blieb ihm nur das Exil in Paris, wohin er 1831 übersiedelte. „In der Stadt fühle er sich wohl, wie ein Fisch im Wasser. Oder – wie er schreibt – andersherum, wenn man einen Fisch im Wasser frage, wie er sich fühle, so solle der Fisch antworten: wie Heine in Paris“, so das Zitat, mit dem Armin Laschet diesen Schritt kommentierte. Schon zwei Jahre später stand Heine auf dem Index in Preußen, 1835 im gesamten Deutschen Bund. „Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“, so die Prophezeiung Heines, die in den Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten schreckliche Wirklichkeit wurde, eine der Schandtaten des zerstörerischen deutschen Nationalismus, den Heine wuchern sah und journalistisch bekämpfte. Dieser Germanisierung fielen letztlich sechs Millionen Juden und zig Millionen Menschen zum Opfer.
Was bedeutet uns Heine in dieser Zeit, im Jahr 2024, so die Frage von Armin Laschet. Die Antwort sei vielschichtig, ob die Menschheit vorgerückt ist. Auskunft gibt ein Zitat aus der „Vorrede zu Französische Zustände“: „ .. in Europa (überhaupt) keine Nationen mehr gibt, sondern nur zwei Parteien, wovon die eine, Aristokratie genannt, sich durch Geburt bevorrechtigt dünkt während die andere, Demokratie genannt, ihre unveräußerlichen Menschenrechte vindiziert und jedes Geburtsprivilegium abgeschafft haben will, im Namen der Vernunft.“ Die von ihm favorisierte Demokratie nannte er die „himmlische Partei“, aus dem Himmel der ewigen Vernunft, die aber an keine Nation gebunden ist.
Heine war beiden Ländern sehr verbunden, die indes zu seiner Zeit schon bitter verfeindet waren, eine Feindschaft, die in drei Kriegen blutig ausgetragen wurde. Heine wäre sicher erfreut, nach dem Untergang des Dritten Reichs sich Deutsche und Franzosen endlich die Hand reichten und Initiativen für ein vereintes Europa der Menschenrechte auf den Weg brachten, von der Montanunion 1950 bis zum Elysée-Vertrag 1963, in der Folge ein Bündnis aus 25 europäischen Nationen. Heine hätte auch seine Freude daran, nach dem Holocaust wieder jüdisches Leben in Deutschland möglich ist. Heute zählt die Jüdische Gemeinde in Düsseldorf 6.500 Mitglieder. Doch Antisemitismus und Nationalismus sind auch in Europa wieder auf dem Vormarsch. So gilt wieder Heines Mahnung, jede Zeit ihre Aufgabe habe, damit die Menschheit weiter rücke.
Heine heute würde sicher Grundgesetz und Menschenrechte als Fortschritt begrüßen, wie auch die Freundschaft der Franzosen und Deutschen sowie es keine Zensur für jüdisches Denken und Schreiben gibt. Doch es würde ihm missfallen, jüdische Bürger wieder in Angst leben müssen und ein Nationalismus erstarkt, der wieder das Deutschtum mit rassistischen Parolen und Parteiprogrammen als die einzig wahre Staatsform proklamiert. So ist die Bekämpfung von Antisemitismus und Nationalismus eine immerwährende Aufgabe. Sicher erwartet Heine von uns, wir unsere Zeit und unsere Aufgaben jederzeit erkennen und danach handeln. In diesem Geiste trägt der Heinrich Heine Kreis e.V. seinen Namen und die Verpflichtung, diesen Geist wie eine lodernde Flamme leuchten zu lassen.
Seine Rede als Credo für das Werk und das Wirken von Heine bis in unsere Zeit wurde mit lang anhaltendem frenetischem Beifall gewürdigt.
Den Abschluss der Wortbeiträge bildete die Abschiedsrede von HF Bernd J. Meloch, der sein Amt als 2. Vorsitzender aus privaten Gründen niedergelegt hatte und fortan als Ehrenvorsitzender den Vorstand berät und mit Ideen unterstützt. „The older I get“ nach einem Song des Sängers Alan Jackson betitelt, der auch abgespielt wurde. Diese beeindruckende, von Altersweisheit geprägte Rede ist in der beigefügten PDF nachzulesen. Der Dank für sein unermüdlichen Schaffen als Manager des HHK fand in starkem Applaus seinen Ausdruck.
Zum musikalischen Ausklang erfreute der „Knabenchor Hösel“ mit seinen himmlischen Stimmen und brachte weihnachtliche Stimmung. Zum Abschied wünschte HF Dr. Andreas Turnsek frohe Weihnachtstage und ein gesundes Jahr 2025.